DER KAPITALISMUS ALS PRÜGELKNABE
Ein populärer Irrtum ist es zu glauben, dass mehr Sozialismus mit den Herausforderungen unserer Zeit besser zurechtkäme als der freie Kapitalismus
In einer kapitalistischen Marktwirtschaft sind die tatsächlichen Besitzer eines Wirtschaftsunternehmens nicht die juristischen Eigentümer im formalen Sinn. Den Wert des Eigentums bestimmen die Kunden, je nachdem, ob sie Produkte dieses Unternehmens kaufen oder nicht. Im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist alles Wirtschaften auf die Verbraucher ausgerichtet. Diejenigen Firmen, die sich den Wünschen des Konsumenten widersetzen und an ihm vorbeiproduzieren, überleben nicht. Sie werden durch andere Firmen ersetzt, welche die Kundenwünsche schneller, genauer und billiger erfassen als die Konkurrenz.
Verfehlte Kritik
Von allen Seiten hagelt es derzeit Kritik am Kapitalismus. Politiker und Medien werden nicht müde, alles Elend dieser Welt dieser Wirtschaftsordnung zuzuschreiben. Damit preisen sie indirekt ihr sozialistisches Ideal, das wie keine andere Ideologie unermessliches Leid über die Menschheit gebracht hat.
Einer globalen Umfrage ist zu entnehmen, dass sich eine Mehrheit gegen den Kapitalismus ausspricht. In Deutschland sind 55 % der Befragten der Meinung, dass der Kapitalismus in seiner jetzigen Form mehr schadet als hilft. Diese Mehrheit folgt den Leitlinien, wie sie vom Davoser Wirtschaftsforum jedes Jahr gepredigt und von Prominenten, die von Greta bis Prinz Charles reichen, in die Welt hinausposaunt werden. In dem von den Massenmedien aufgeputschten, an Hysterie grenzenden Taumel haben es die Stimmen der Vernunft nicht leicht. Ein Plädoyer für einen radikalen Kapitalismus ist aber gerade deshalb nötig.
Der Kapitalismus als Prügelknabe
Die Ankläger des Kapitalismus sind zahlreich. Es sind nicht nur wie üblicherweise die Linksintellektuellen und Medienstars, auch Multimilliardäre stimmen in das Klagelied ein. Das sollte einen zu bedenken geben. Aber offensichtlich tun sich viele Menschen schwer damit, das kapitalistische Wirtschaftssystem richtig einzuordnen und angemessen zu beurteilen. Man glaubt an den Staat und verkennt, dass die Marktwirtschaft den besseren Lösungsweg darstellt.
Man stelle sich vor, die Menschen wären in den 70er-Jahren auf die Prognosen des Unheils des Club of Rome hereingefallen und man hätte auch im Westen eine Zentralverwaltungswirtschaft etabliert, um die als damals als unmittelbar bevorstehende Energiekrise und Hungersnot zu bewältigen. Die Folge wäre nicht mehr Wohlstand gewesen, sondern es wäre eben genau durch zur Planwirtschaft zum angekündigten Massenelend gekommen.
In den 70er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts hat die Stimme der Vernunft noch gesiegt. Angesichts des Meinungsterrors, der heute herrscht, ist es diesmal jedoch anders. Die Gefahr besteht, dass im Namen des Klimaschutzes der Kapitalismus aufgelöst wird. Je mehr jedoch der Sozialismus überhandnimmt, desto geringer wird die wirtschaftliche Leistungskraft. Eine schwache Wirtschaft dient ihrerseits nun, weitere Staatseingriffe zu fordern. Kommt diese Spirale einmal richtig in Gang, ist sie nicht mehr aufzuhalten. Aufklärung tut not.
Dringend ist die Aufgabe, Wesen und Funktion des modernen Kapitalismus richtig zu begreifen. Man muss verstehen, wie Marktwirtschaft im Gegensatz zur Zentralverwaltungswirtschaft funktioniert. Bevor man kritisiert, sollte man wissen was.
Versuche, sozialistische Gemeinwirtschaften zu etablieren, hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Der Todestrieb ist nicht nur ein tiefpsychologisches Phänomen, sondern tritt ebenso kollektiv auf. Heute zeigt sich die Abkehr vom Leben bei Teilen der ökologischen Bewegung, wenn mit an religiösem Wahn grenzender Leidenschaft ausgesprochen wirtschaftsfeindliche Ziele propagiert werden. Man predigt die Zerstörung von Sachkapital, um den Planeten zu retten. Je stärker jedoch die Akkumulation von Kapital eingeschränkt wird, desto mehr gerät die Wirtschaft in Verfall. Mit der Zerstörung von Kapital geht auch der Kapitalismus zugrunde. Dabei kann man aber den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten nicht entkommen und zum Beispiel erwarten, mit mehr Sozialismus käme auch mehr Wohlstand oder dieser ließe sich auch nur erhalten.
Kennzeichen des modernen Kapitalismus
An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ist es dazu gekommen, dass der moderne Kapitalismus auf der Basis des Eigentums an Produktionsmitteln als unternehmerische Geldwirtschaft der Durchbruch gelang. Die industrielle Revolution erwies sich als die Singularität der Wirtschaftsgeschichte. Bis dahin kannte die große Mehrheit der Menschen nur Elend und Not. Seitdem werden extreme Notlagen überall dort beseitigt, wo man den freien Kapitalismus sein befreiendes Werk tun lässt.
Innovationsstreben
Das herausragende Kennzeichen des modernen Kapitalismus ist es, dass spezialisierte Betriebe gewinnorientiert wirtschaften. Da auf Wettbewerbsmärkten der Gewinn von der Produktivität abhängt, zwingt das System die Firmen zu laufender Kostenkontrolle und zur Innovation. So ist es überall dort zu einer Erhöhung des Wohlstands gekommen, wo sich der moderne Kapitalismus möglichst frei entfalten konnte.
Der moderne Kapitalismus als monetäre Unternehmenswirtschaft zeichnet sich gegenüber den Wirtschaftsformen der Vergangenheit dadurch aus, dass er die Massenarmut lindert und schließlich zum Verschwinden bringt. Im Kapitalismus ist der Kunde König und so letztlich der Endverbraucher der Dreh-und-Angelpunkt des Systems.
Der Kapitalismus beruht auf der Grundlage des Privateigentums an Produktionsmitteln. „Kapital“ in diesem Sinne ist das Kernstück des Kapitalismus. Eigentumsrechte sind zwar eine notwendige Bedingung für das Funktionieren des Kapitalismus, aber für sich allein genommen ist Eigentum nicht ausreichend. Erst wenn preisgesteuerte Wettbewerbsmärkte hinzukommen und wenn der Privatinitiative Raum eingeräumt wird, funktioniert das kapitalistische System.
Grundformen des modernen Kapitalismus
Der moderne Kapitalismus ist als „Take-off Kapitalismus“ entstanden. Bei der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts ging es darum, die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit zu mobilisieren.
Im 20. Jahrhundert hat sich diese erste Grundform des modernen Kapitalismus in den korporativen Staatskapitalismus verwandelt. Es ging in dieser Phase darum, die Produktionsfaktoren besser zu nutzen und ihr Zusammenspiel effektiver zu gestalten.
Dem 21. Jahrhundert gehört der freie Kapitalismus. Laissez-faire bedeutet Staatsfreiheit und Entfaltung des kreativen Unternehmertums. Die Digitalisierung wird für die Menschen segensreich, wenn sie mit Entstaatlichung einhergeht.
Der Kapitalismus ist umso funktionsfähiger, je mehr das Eigentum an Produktionsmitteln gesichert ist, je mehr Wettbewerb und freie Preisbildung herrschen und je mehr Freiraum für die Privatinitiative besteht. Der Hauptunterschied zwischen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und dem Sozialismus besteht darin, dass im Kapitalismus der Konsument das Sagen hat und damit die Marktwirtschaft notwendigerweise dezentral gesteuert wird. Im Sozialismus hat die Staatsherrschaft das Wort. Das System wird von oben herab zentral gesteuert. Im Sozialismus ist der Endverbraucher das letzte Glied der Befehlskette. Im Unterschied zum Kapitalismus bleiben in einer sozialistischen Wirtschaft die Bedürfnisse und Wünsche des Einzelnen notwendigerweise auf der Strecke. Wer Sozialismus wählt, entscheidet sich damit für Armut und Unfreiheit.
Bestmögliche Wissensverarbeitung
Friedrich A. von Hayek (1899–1992) hat das Wesen der Marktwirtschaft dadurch gekennzeichnet, dass in diese Ordnung „viel mehr Wissen von Tatsachen eingeht, als irgendein einzelner Mensch oder selbst irgendeine Organisation wissen kann“. Darin sieht Hayek den Grund, „weshalb die Marktwirtschaft mehr leistet als irgendeine andere Wirtschaftsform.” (Friedrich Hayek: Antrittsvorlesung am 18. Juni 1962 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg „Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.“ Freiburger Studien, Tübingen 1969, S. 11)
Allerdings gibt es den Kapitalismus nicht in Reinform. Wir leben in Staatswesen und der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft ist allenthalben sichtbar. Viele Probleme werden „dem Kapitalismus“ in die Schuhe geschoben, obwohl eben nicht der freie Kapitalismus die Ursache ist, sondern der Staatseingriff.
Dies wird heutzutage deutlich, wenn man die Geldpolitik betrachtet. Unsere Geldordnung ist per Gesetz dem Staat in die Hand gegeben. Im Gegensatz zu den dezentral operierenden Märkten wird das Geld zentral von der Notenbank reguliert, die zurecht auch „Zentralbank“ genannt wird.
Viele geben so völlig zu Unrecht dem „Kapitalismus“ die Schuld an der wachsenden Vermögensungleichheit; sie verkennen, dass die wahre Ursache in der Geldordnung liegt. Der Zins dient als Herrschaftsinstrument, und wenn die Zentralbanken, so wie seit einiger Zeit den Zinssatz auf null und sogar darunter ansetzen, steigen die Preise
der Sachwerte, vor allem bei Immobilien und Aktien. Wer hat, dem wird gegeben. Der Kleinsparer bekommt wenig bis fast gar nichts für sein Sparkonto, während gleichzeitig zum Beispiel die Immobilie, die er erwerben will, immer teurer wird.
Dies ist kein wahrer Kapitalismus, wenn der Staat die Geldordnung bestimmt, den Leitzins festsetzt und darüber hinaus sich über Steuern und Abgaben über die Hälfte des Sozialprodukts direkt aneignet. Die heute praktizierte Geld- und Steuerpolitik dient nicht dem Volkswohlstand, sondern sind Instrumente, um einen globalen Zentralstaat zu errichten. Der sogenannte „Klimanotstand“ ist dafür das passende Alibi.
Echter Kapitalismus wäre herrschaftsfreier Kapitalismus. Anarcho-Kapitalismus in diesem Sinn ist es ein Projekt der Zukunft. Es ist eine Orientierung. Gegenwärtig ist es so, dass einige Länder dem kapitalistischen Ideal näherkommen und andere weniger. Kein Land kann aber das Leitbild erfüllen. Es geht aber gar nicht darum, den herrschaftsfreien Kapitalismus „einzuführen“, sondern darum, in Form des „pluralistischen Anarcho-Kapitalismus“ dieses Modell als Orientierung zu benutzen, als einen Wegweiser zu sehen.
Je intensiver der Wettbewerb auf preisgesteuerten Märkten, je mehr unternehmerische Freiheit und je mehr die Rechtsansprüche auf Privateigentum an Produktionsmitteln geachtet werden, desto begüterter sind die Menschen in solch einem Land. Das zeigt die geschichtliche Erfahrung. Was bis jetzt galt, wird in Zukunft noch wichtiger: Je mehr ein Land sich dem reinen Kapitalismus annähert, desto wohlhabender wird es. Umgekehrt trifft zu, dass die Gesellschaften, die den sozialistischen Weg gehen, nicht nur verarmen, sondern auch die Freiheit verlieren werden.
Die Forderung nach einem globalen Klimaschutz dient dazu, die freie Konsumentenwahl einzuschränken und die Märkte zu regulieren. Der Zentralismus nimmt damit zwangsläufig zu. Nicht nur die individuelle Freiheit geht verloren, auch der allgemeine Wohlstand sinkt.
Die Mehrheitsmeinung irrt, wenn sie glaubt, mehr Sozialismus würde mit den Herausforderungen unserer Zeit besser zurechtkommen als der Kapitalismus. Man erkennt zwar richtigerweise, dass das gegenwärtige System defizitär ist, aber das Problem mit unserem Wirtschaftssystem ist nicht, dass es zu kapitalistisch ist, sondern dass es zu wenig kapitalistisch ist.
Mehr Sozialismus heißt mehr Staat, und damit würden sich die vorhandenen Problemlagen verschärfen. Die Lösung der Aufgaben verlangt nicht mehr Obrigkeit, sondern weniger Herrschaft und damit mehr freie Wirtschaft und Gesellschaft.
Auszug aus “Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik” (KDP 2021)
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