Saturday, June 4, 2022

Besteuerung

 Nur Einstimmigkeit und Freiwilligkeit können eine Besteuerung rational rechtfertigen

Antony P. Mueller

Besteuerung ist Teil der Gesellschaftspolitik geworden

Mit der Ausweitung des Staatsbudgets der Industriestaaten von weniger als fünfzehn Prozent zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den heute weithin verbreiteten rund fünfzig Prozent, hat auch die Abgabenlast entsprechend zugenommen. Die Triebfeder dieser Entwicklung sind die Sozialausgaben. Mit der Verbreitung der Parteiendemokratie ist die gesamte Politik zur Gesellschaftspolitik geworden. 

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In der Bundesrepublik Deutschland sind die Steuereinnahmen des Bundes laufend gestiegen und haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Gleichzeitig wird der originäre Bereich der Staatstätigkeit – äußere, innere und rechtliche Sicherheit - immer mehr vernachlässigt.   Die Steuereinnahmen des Staates werden sachfremd ausgegeben und es wird durchgehend schlecht gewirtschaftet. Viele Gelder versickern und Ausgaben werden parteipolitisch missbraucht.

Das Steuerrecht ist immer komplizierter geworden. Ständig werden neue Steuern und Abgaben erfunden. Ungeachtet des hohen Steueraufkommens nimmt die weiter zu Staatsverschuldung zu.

Immer mehr dominieren die vormals als Nebenzwecke bezeichneten nicht fiskalischen Ziele die Steuerpolitik. Die Steuerzwecke umfassen inzwischen das gesamte Spektrum der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Anliegen, die sich nach Belieben unterteilen lassen, sodass diese von wohnungspolitischen bis kulturpolitischen, von raumordnungspolitischen bis zu konjunkturpolitischen Zwecken reichen. Um das Fass vollzumachen, haben sich nunmehr noch die klima- und umweltpolitischen Zielsetzungen hinzugesellt, wobei es inzwischen so ist, dass sich alle anderen Ziele an der Klimapolitik ausrichten sollen.

Steuerpolitik ist heute Teil der Gesellschaftspolitik, in die alles hineingepackt wird, was der jeweiligen politischen Opportunität entspricht. Wegen der dem Steuerrecht fälschlicherweise zugeschriebenen leichten Handhabbarkeit und Geschmeidigkeit glauben die Regierenden, in der Bestteuerung ein geeignetes Instrument der politischen Zielverfolgung zu besitzen. Die Besteuerung dient als Handhabe, Sondergruppen Vorteile in Aussicht zu stellen oder die eigenen ideologischen Ziele in den Vordergrund zu stellen.

 

Widersprüchlichkeiten im Steuerrecht

Der politische Vorteil der Besteuerung besteht darin, dass man die Vorteilsgewährung den Zielgruppen deutlich machen kann, während die tatsächlichen Kosten verdeckt bleiben. So befriedigt man die vom Klima- und Umweltschutz begeisterten Wähler mit einer Steuer, die diesen Namen trägt und entsprechend die beabsichtigte Wirkung postuliert wird, während ihre tatsächliche Wirkung, gerade wenn sie das Gegenteil zur Folge hat, unterschlagen wird.

So präsentiert sich heute das Steuerrecht in einer verwirrenden Vielfalt und Widersprüchlichkeit.  Dahinter steht der Irrglaube, man hätte mit der Steuer ein Medium zur Hand, das die maßgerechten Anpassungen an die einzelnen gesellschaftlichen Anforderungen erlaube und geeignet sei, spezifisch Ungerechtigkeiten zu beseitigen und die Gesamtwohlfahrt zu fördern. Darüber hinaus zeugt die Handhabung des Steuerrechts – nicht zuletzt beim sogenannten Klimaschutz – von der Täuschung, die Wissenschaft sei imstande, passgenaue Prognosen über komplexe Sachverhalte abzugeben.

Diese falschen Vorstellungen führen dazu, dass das moderne Steuersystem irrational und prinzipienlos geworden ist.

 

Fehlende Begründung der Besteuerung

Alle Bemühungen der Theorie der öffentlichen Finanzen haben es nicht geschafft, eine ausreichende Begründung für die heute übliche Weise der Steuererhebung zu liefern. Die meisten theoretischen Darstellungen erschöpfen sich in Klassifikationen und die empirischen Untersuchungen zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Weder vonseiten der Jurisprudenz noch von der wirtschaftswissenschaftlichen Finanztheorie ist es gelungen, Steuerprinzipien von universeller Gültigkeit zu erstellen. Was bleibt, ist die Feststellung, dass die derzeit übliche Form der Steuererhebung auf Macht beruht und weitgehend in Willkür besteht.

Nach den Grundsätzen der Staatstheorie aber bedarf es sowohl für die Besteuerung als auch für die Art ihrer Erhebung der Rechtfertigung. Die Steuererhebung, wenn sie nicht bloße Willkür oder Ausdruck des politischen Machtspiels sein soll, braucht Steuergrundsätze, wobei diese Prinzipien logisch der Steuerrechtfertigungslehre entsprechen müssen. Bei Steuern und Abgaben handelt es sich um einen der tiefsten Staatseingriffe, denn ihre Erhebung ändert nicht nur die Form der Wirtschaftsaktivität, sondern bestimmt auch die Verteilung der Abgabenlast und ändert somit die Einkommens- und Vermögensverteilung.

 Konventionelle Grundsätze der Besteuerung

Von Anfang an hat sich die Öffentliche Finanzwissenschaft bemüht, Kriterien der sogenannten „Steuergerechtigkeit“ zu finden. Bei der Steuerrechtfertigungslehr haben sich das „Leistungsfähigkeitsprinzip“ und das „Äquivalenzprinzip“ als die wichtigsten Ansätze herausgebildet. Es ist bezeichnend, dass den Vertretern des jeweiligen Prinzips die Widerlegung des Gegenprinzips jeweils besser gelingt, als den eigenen Grundsatz zu rechtfertigen.

Dem Leistungsfähigkeitsprinzip liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Steuererhebung der Finanzierung des Gemeinwohls zu dienen hat. Entsprechend sollen die Gesellschaftsmitglieder Opfer erbringen, die gerechterweise nach der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bemessen seien. Im Unterschied dazu ist das Äquivalenzprinzip darauf ausgerichtet, dass die Besteuerung am Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zu orientieren sei.

Das Leistungsfähigkeitsprinzip scheitert daran, dass man das „gerechte Opfer“ nicht bestimmen kann. Welche Besteuerung ist gerecht? Die nach dem Grenzopfer, dem gleichen absoluten Opfer oder dem gleichen proportionalen Opfer? Die Modelle der Rechtfertigung scheitern selbst unter der Annahme, das subjektive Opfer sei marginal sinkend vom Einkommen abhängig, man könne intersubjektive Nutzenvergleiche anstellen und dass für alle Steuerzahler die gleiche marginale Nutzenkurve gelte. Nach dem Äquivalenzprinzip kann weder die Finanzierung des Gemeinwohls begründet werden noch eine zielgerechte Umverteilungspolitik.

Die Anwendung eines Progressionstarifs ergibt sich logischerweise aus der Annahme des gleichen marginalen Opfers, wohingegen sich ein proportionaler Steuertarif ergäbe, wenn man vom gleichen proportionalen Opfer ausgehen würde. Unter der Annahme eines gleichen absoluten Opfers und konstantem Grenznutzenverlauf käme man sogar zur Forderung nach einem regressiven Steuerverlauf.

 

Prinzip der Eistimmigkeit und Freiwilligkeit

Gibt es rationale Gründe, diese Belastung der Bürger zur rechtfertigen? Oder sollte nicht vielmehr Einstimmigkeit und Freiwilligkeit bei der Festlegung der Besteuerung herrschen?

Bei Befolgung des „Äquivalenzprinzips“ wäre jede Umverteilungspolitik zurückzuweisen. Die Zurechnungsprobleme, die bei der Anwendung dieses Prinzips in der Praxis auftauchen, haben zu dem Grundsatz der Einstimmigkeit geführt, wie er maßgeblich in den „Finanztheoretischen Untersuchungen“ (1896) vom schwedischen Ökonomen Knut Wicksell (1851-1926) erarbeitet wurde. Nach Wicksell besteht der entscheidende Vorteil des Äquivalenzprinzips darin, sowohl die Abgaben als auch die Ausgaben des Staates zu berücksichtigen. Der Steuerzahler begleicht das, was er an öffentlichen Leistungen erhält. Wie Wicksell zeigt, folgt daraus der Grundsatz der Einstimmigkeit.

Ob eine staatliche Maßnahme mehr Nutzen als Nachteil erbringt, kann weder durch Mehrheitsentscheidung noch durch Umfragen oder sozio-ökonomische Untersuchungen bestimmt werden. Jedwede Staatstätigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie einstimmig von den Betroffenen bewilligt wird.

Man kann den Gesamtnutzen nicht abseits des individuellen Nutzens bestimmen: "Ist jener Nutzen für die einzelnen Mitglieder der Gesamtheit gleich Null, so wird auch der Gesamtnutzen nicht von Null verschieden sein können." (S. 82) Wenn keine Einstimmigkeit vorliegt, so Wicksell in seinen „Finanztheoretischen Untersuchungen“ (S. 113 f.), „so liegt …. ein aposteriorischer und der einzig mögliche Beweis vor, dass die fragliche Staatstätigkeit der Gesamtheit doch nur einen, dem notwendigen Opfer nicht entsprechenden Nutzen bringen würde.“ Wenn keine Einstimmigkeit vorliegt, muss die jeweilige Staatstätigkeit vernünftigerweise verworfen werden. „Die Einstimmigkeit und volle Freiwilligkeit der Beschlüsse ist zuletzt die einzige sichere und handgreifliche Garantie gegen Ungerechtigkeiten der Steuerverteilung; solange sie auch nicht annäherungsweise erfüllt ist, schwebt eigentlich die ganze Diskussion über Gerechtigkeit der Besteuerung in der Luft.“ (S. 114)

Mit dem Prinzip der Einstimmigkeit hat die Finanztheorie klar das einzig mögliche Vernunftkriterium für die Gerechtigkeit der Steuerlast bestimmt. Das wechselseitige Einvernehmen über die Beschlüsse dient als Garantie gegen ungerechtfertigte Steuerlastverteilung. Nicht nur das: Einstimmigkeit und Freiwilligkeit wären auch ein wirksamer Damm gegen die Ausgabenflut und damit gegen die um sich greifende Steuer- und Abgabenbelastung gewesen, wie sie sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Bahn gebrochen hat.

Abwehr der Steuer- und Abgabenflut

Es wäre eine Illusion zu glauben, die Nettoempfänger von heute wären weniger eigennützig als die früheren Machthaber. Es ist vielmehr so, dass sich die Tendenz zum Nettoempfang ausweitet, wenn das das Kriterium der Einstimmigkeit fehlt und man der Mehrheitswahl folgt.

Was Knut Wicksell in seinen „Finanztheoretische Untersuchungen“ (S. 122) kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts vorausgesehen hat, ist heute offensichtlich geworden:

Wenn einmal die unteren Klassen definitiv in den Besitz der gesetzgebenden und steuerbewilligenden Gestalt gelangt sind, wird … die Gefahr vorliegen, dass sie eben so wenig eigennützig verfahren werden, wie die Klassen, welche bisher die Macht in den Händen hatten“. Sie werden „die Hauptmasse der Steuern den besitzenden Klassen auflegen und dabei vielleicht in der Bewilligung der Ausgaben, zu deren Bestreitung sie selbst nunmehr nun wenig beitragen, so sorglos und verschwenderisch verfahren, dass das bewegliche Kapital des Landes bald nutzlos vergeudet und damit die Hebel des Fortschritts zerbrochen sein werden.“

Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmende Demokratisierung und die sie begleitende Herausbildung des Parteienwesens haben dazu geführt, dass der Damm gebrochen ist. Inzwischen liegt die Mehrheit, die über die Staatsausgaben entscheidet, in der Hand derer, die zu ihrer Finanzierung nichts oder nur wenig beitragen. Der Umfang der Nettozahler ist geschrumpft, während die Zahl der Nettoempfänger immer mehr gestiegen ist.

Immer mehr steht einer wachsenden Zahl von Leistungsempfängern eine geringer werdende Anzahl von Leistungserbringern gegenüber. Mit dieser Entwicklungsrichtung ruiniert sich das System von selbst und wandert unaufhaltsam auf dem Kollaps zu.

Überarbeiteter Auszug aus: "Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik" (KDP 2021)

 

 

Thursday, June 2, 2022

Aleatorische Bürgerdemokratie kontra Parteienherrschaft

 

Wir müssen unser politisches System ändern, bevor es zu spät ist.

Ist eine repräsentative direkte Bürgerdemokratie, die auf Zufallsauswahl der Volksvertreter basiert, ein Ausweg aus der Misere der Parteiendemokratie?


Quelle

Die Ereignisse der letzten Zeit mit einem weltweiten wirtschaftlichen Lockdown und strengen Regeln der sozialen Distanzierung haben viele Menschen darauf aufmerksam gemacht, dass Tyrannei im Entstehen ist. Vorher als Verschwörungstheorie gebrandmarkt, steht jetzt sogar eine „Impfpflicht“ zur Diskussion.

Die Parteiendemokratie schützt nicht vor Unterdrückung. Könnte eine digitale Direktdemokratie, in der die Vertreter des Volkes per Los gewählt werden, effektiver sein, um Wohlstand, Freiheit und Frieden zu fördern?

Wie sich anhand der Pandemiepolitik gezeigt hat, waren die etablierten Demokratien nicht in der Lage, die justiziellen und parlamentarischen Instrumente zu mobilisieren, um den Angriff auf die Freiheit abzuwehren. Ohne rechtlichen Widerstand mussten die Menschen akzeptieren, dass ihnen die Lebensgrundlage genommen oder zumindest schwer eingeschränkt wurde.

Demokratie durch Volksabstimmung bot keine Garantie gegen Tyrannei. Es ist andererseits aber auch so, dass dieselbe technologische Revolution, die die Quelle eines digitalen Despotismus sein kann, die Chance für eine neue Ordnung jenseits von Staat und Politik bietet. Moderne Technologie ermöglicht es uns, ein System zu installieren, bei dem die Vertreter des Volkes durch einen Zufallsmechanismus ausgewählt werden.

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Bei einem solchen Auswahlsystem der Volksvertreter, politisches Losverfahren, auch Sortition oder auch “Demarchie” genannt, werden die Vertreter des Volkes für die gesetzgebende Körperschaft durch Los ausgewählt. Eine solche “digitale Direktdemokratie” bietet einen Ausweg aus den vielen Dilemmata der modernen Demokratie, die auf der Wahl durch Abstimmung basiert. In Bezug auf die Methode erfordert die ein solches Auswahlverfahren einen Zufallsmechanismus, um eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung auszuwählen, die als allgemeine Volksversammlung und Gesetzgeber dient.

Die Probleme mit dem gegenwärtigen System der Demokratie durch die Wahl von Berufspolitikern, die politische Parteien vertreten, sind bekannt und dokumentiert.

Im Gegensatz zur Parteienherrschaft bilden bei einer Zufallsauswahl der Volksvertreter nicht Politiker, die Parteien vertreten, das gesetzgebende Organ, sondern eine repräsentative Stichprobe der gesamten Bevölkerung. Anstelle von Parteien und Politikern wären die Kandidaten der Wahl die Wählerschaft selbst. Diejenigen, die legal wählen dürfen, sind auch die Kandidaten.

In einer digitalen Direktdemokratie würde die Parteipolitik verschwinden und die staatlichen Funktionen würden mit der Zeit privatisiert.

Im Gegensatz zur Demokratie durch Wahlen zählen zu den Vorteilen der Demokratie durch Sortierung ein hohes Maß an Legitimität in der Bevölkerung. Die durch Zufall ausgewählten Vertreter sind parteilich unabhängig und schon dadurch weniger korruptionsanfällig, da es keine Wiederwahl gibt. Es käme zum Ende der Parteienpolitik und wir hätten eine Volksvertretung, die diesen Namen verdient. Damit kommt es zu einem Ende der politischen Karrieristen und Machtpsychopathen. Die von den politischen Machtkämpfen ausgehende Spaltung der Gesellschaft würde ein Ende nehmen. Der politische Parteienapparat würde sich auflösen.

Bei den gesetzgeberischen Aktivitäten einer solchen Volksversammlung, die durch die Zufallsauswahl bestimmt ist, wäre nicht nur eine verständliche Form der Gesetzgebung zu erwarten, sondern auch eine humane und anstelle der Lawine von Gesetzen, Regeln und Vorschriften würde es zu einem Rückgang der Gesetzesinflation kommen. Es käme zu einer Verminderung der Staatstätigkeit und in ihrer Folge zu weniger Staatsausgaben und niedrigeren Steuern.

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Kritiker der auf Zufall beruhenden Auswahl der Volksvertreter behaupten, dass ein solches gesetzgebendes Organ weniger Fachwissen hätte als ein gewähltes Parlament, und dass dies die Macht der Bürokratie erhöhen würde. Die Wahrheit ist jedoch, dass das spezifische Wissen, das jetzt in den Parlamenten dominant vorhanden ist, darin besteht, zu wissen, wie man Macht erlangt und ausübt, und bei den Parteikarrieristen die nicht-politische Kompetenz Mangelware ist.

Die Kritiker der Zufallsauswahl ignorieren, dass das gegenwärtige System der Parteipolitik zu einer riesigen Bürokratie und einem massiven Aufbau der Macht des Staatsapparats geführt hat. Die politischen Parteien und die Staatsbürokratie arbeiten zusammen, um ihre Macht zu maximieren, die sie erreichen, indem sie mehr Staat haben und sich nicht viel um die Kosten kümmern.

Einmal etabliert, würde eine digitale Direktdemokratie, die auf Zufallsauswahl basiert, die Macht von Politikern, Lobbyisten und Interessengruppen beenden und der Bedrohung durch Tyrannei wirksam entgegenstehen.

Die Auswahl der Volksvertreter durch eine Lotterie erfordert keinen revolutionären Umsturz. Ein Anfang kann damit gemacht werden, dass eine auf Zufallsauswahl beruhende Generalversammlung ein Vetorecht gegenüber den gesetzlichen Maßnahmen des gewählten Parlaments erhält.

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Textbeitrag auf der Grundlage von Auszügen aus “Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik” (KDP 2021)


Wednesday, June 1, 2022

Geldsozialismus

 Wie der Geldsozialismus in die inflationäre Katastrophe führt

Anstieg der Grosshandelspreise 1923 (1913=1)

Das Zusammenwirken von hohen Staatsausgaben, ungehemmtem Interventionismus und die Ausweitung der Geldmenge stellt die Hauptursache einer Hyperinflation dar. Dabei entstehen nicht wie versprochen Wohlstand und soziale Gleichheit, sondern noch schärfere gesellschaftliche Spaltung und Massenelend.

Falsche Versprechungen

Der Prozess zur Verelendung beginnt mit den falschen Versprechungen von sozialer Gerechtigkeit und mehr Wohlfahrtsstaat. Privateigentum ist nicht mehr sicher, staatliche Eingriffe nehmen zu und die Unternehmensinvestitionen sinken.

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Diese Alarmzeichen veranlassen aber eine ideologisch verbohrte politische Führung nicht dazu, ihren Kurs zu ändern und die Staatsausgaben, die auf der Kreditausweitung beruhen, zu kürzen.

Solche Regierungen erhöhen die Staatsausgaben und veranlassen die Zentralbanken zur Geldausweitung, je mehr die Wirtschaft sich abschwächt. Anstatt die Probleme zu lösen, werden sie verschärft. Während mehr Regulierung und Interventionismus die güterwirtschaftliche Angebotsseite abwürgen, steigt die inflationär angetriebene Nachfrage. Das Land gerät in eine tödliche Spirale wirtschaftlicher, politischer und sozialer Krisen, die sich gegenseitig verstärken.

Am Anfang eines solchen Prozesses des Niedergangs treten einige illusionäre Vorteile auf. Nach kurzer Zeit sind es jedoch hauptsächlich die Ärmsten, die zuerst am meisten leiden, bis auch der Rest der Gesellschaft in einen katastrophalen Zusammenbruch gerät.

Bei der Frage, wann die Geldmenge inflationär wird, spielen die Erwartungen eine große Rolle. Diese kommen aber nicht aus dem Nichts. Sie haben einen Bezug in der wirtschaftlichen Realität und im öffentlichen Diskurs, einschließlich der Regierungspropaganda oder seitens der Medien oder ihres Totschweigens der Probleme. Es gibt aber einen Punkt, wo die Zukunftserwartungen umkippen. Wenn sich inflationäre Erwartungen verfestigen, sind die Zentralbanken hilflos und weder Regierung noch die ihnen gehorchenden Massenmedien können das Monster der Preisinflation noch aufhalten.

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Eine freie Geldordnung bedeutet nicht, dass eine Grenzziehung fehlt. Es ist eher so, dass das gegenwärtige Währungssystem mit ständiger Intervention der Zentralbanken und dem ungebremsten Hang der Regierungen nach Defizitausgaben außer Kontrolle ist. Im Gegensatz zu einem Fiat-Geldsystem würde ein Goldstandard oder ein ähnliches System mit einem starken Anker kurzfristige Flexibilität mit langfristiger Stabilität verbinden.

Für die amtlichen Entscheidungsträger sind die Zinssätze ein Interventionsinstrument, während sie die Zeitpräferenz widerspiegeln sollten und als solche der natürliche Zinssatz wären. Die Zentralbanker können nur den monetären Zinssatz manipulieren. Was zählt, sind die Geldmenge und die Erwartungen. Ein höherer Zinssatz verteuert die Kreditaufnahme und kann dadurch die Ausweitung des Geldumlaufs in der Wirtschaft stoppen. Darüber hinaus können steigende Zinssätze die Erwartungen über die künftige Preisinflation verändern und somit die Umlaufgeschwindigkeit verringern. Der Hauptpunkt bei der Erhöhung des Zinssatzes ist jedoch, dass die Zentralbank die Geldbasis reduzieren muss, um höhere Zinssätze zu erhalten. Die Notenbanken können nicht den Zinssatz erhöhen und die monetäre Basis unverändert lassen. Wenn die Zentralbanken ein bestimmtes Niveau ihres Leitzinses anstreben, müssen sie die Geldbasis entsprechend kontrollieren.

Schuldenpolitik

Geld kommt über den Kreditkanal in Umlauf. Geschäftsbanken erhalten ein Guthaben bei der Zentralbank und gewähren Darlehen an Verbraucher, Unternehmen und den staatlichen und kommunalen Kreditnachfragern. Somit gibt es zwei Quellen für die Schaffung von Krediten und zwei grundlegende Geldarten: Zentralbankgeld und Depotgeld. Das moderne Währungssystem ist ein reines Kreditsystem, das auf Fiat-Geld ohne physische Absicherung wie beispielsweise Gold basiert. Die Regierungen verließen den Goldstandard zu Beginn des Ersten Weltkriegs und kehrten nie wieder dorthin zurück. Heutzutage kann der Staat über die Zentralbank so viel Geld schaffen, wie man will.

Während Fiat-Geld auf Schulden basiert, wirkt sich nicht jegliche Kreditgeldschöpfung unmittelbar auf die Wirtschaft aus. Zum Beispiel können sich die Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank leihen, es aber nicht für Kredite verwenden, sondern es auf ihre Konten bei der Notenbank einzahlen. Dann bedeutet mehr Geld der Zentralbank nicht mehr Geschäftskredite für die Investoren und Verbraucher in der Wirtschaft. Außerdem führt mehr Liquidität nicht notwendigerweise zu mehr Nachfrage, da die Geldinhaber die Häufigkeit von Transaktionen verlangsamen können. Wenn die Wirtschaftsakteure weniger ausgeben und ihr Geldvermögen für einen längeren Zeitraum halten, sinkt die Geschwindigkeit des Geldumlaufs. Daher ist es falsch zu postulieren, dass mehr Geld notwendigerweise mehr Kredit bedeutet und dass mehr Geld stets zu mehr Ausgaben führt. Das war die Annahme der Monetaristen. Auch sollte man bedenken, dass nicht alles neu geschaffene Geld in die Realwirtschaft fließen muss, sondern im Finanzmarkt, also hauptsächlich auf den Anleihen- und Aktienmärkten zirkuliert.

Geldzirkulation

Wenn die Regierungen beispielsweise versuchen, ihre Volkswirtschaften durch zusätzliche Defizitausgaben anzukurbeln, sollte der Zinssatz aufgrund der Inflationserwartungen steigen. Doch die Zentralbank kann dem zeitweise entgegenwirken und die Geldzinsen künstlich unter ihrem natürlichen Satz halten. In diesem Fall verlässt intelligentes Geld das Land und die Währung wertet ab.

Als Nächstes kommen dann Wechselkursmanipulationen und sogar noch Kapitalverkehrskontrollen ins Spiel. Ein Eingriff führt zum nächsten und schließlich wird alles durcheinandergebracht.

Wenn, wie es häufig in Entwicklungs- und Schwellenländern der Fall ist, die Importelastizität gering ist, wird die Menge der Importe nicht stark sinken. Selbst wenn der Preis der Einfuhren — in Landeswährung gerechnet — infolge der Wechselkursabwertung steigt, wird das Einfuhrvolumen nicht sinken. Dies kann dann eine Preisinflation im Inland auslösen und wiederum dazu führen, dass mehr Geld das Land verlässt. In ihrer Verzweiflung fühlt sich die Staatsführung dann gezwungen, den Wechselkurs noch massiver zu manipulieren oder Kapitalkontrollen einzuführen. Am Ende ist das Chaos so groß, dass das Stimulus-Experiment nach hinten losgeht. Anstelle der beabsichtigten wirtschaftlichen Expansion leidet das Land unter einer Devisenkrise sowie einer Kontraktion oder sieht sich sogar einem finanziellen Zusammenbruch ausgesetzt.

Ein System mit einer fixen Menge an Geldbasis ist nicht unelastisch. Auch unter dem Goldstandard oder einem ähnlichen System mit einem starken Anker, der die Geldmenge festmacht, wird es kurzfristig zu Schwankungen des Gesamtumfangs der Liquidität kommen. Langfristig werden die Preise tendenziell sinken, wenn die Produktivität steigt. Die Erwartungen geraten nicht aus dem Ruder, weil Preisinflation und -deflation nicht längerfristig und überproportional von der Geldmenge abweichen können. Unter einem Fiat-Währungssystem können Inflation und Deflation jedoch übermäßige Ausmaße annehmen.

Ausgabe von Zentralbankgeld durch die Europäische (EZB) und die amerikanische Notenbank (FED 

Quelle: ECB, FED, Tradingeconomics

Die Zentralbanken drängen und zittern und schöpfen immer mehr Geld, um gegen die Deflation anzukämpfen und trotzdem kommt es zu keinem Preisauftrieb, bis es plötzlich ein massiver Preisanstieg eintritt und sogar eine Hyperinflation droht. Wie bei der Ketchup-Flasche spritzt die Soße nach langem Schütteln auf einmal heraus. Die Analogie gilt auch für das, was danach kommt. Während die Ketchup-Soße sich in einem Spritzer aus der Flasche ergießt, ist jede Mühe umsonst, um die überschüssige Soße wieder in die Flasche zu bringen. In der Tat ist es unmöglich, den Vorgang rückgängig zu machen.

In einem Fiat-Währungssystem kommt nicht nur die Inflation plötzlich als Schock, sondern auch die Deflation. Unter einem Fiat-System ist eine Geldkontraktion schädlich, da sie normalerweise aus heiterem Himmel auftaucht und die zeitlich ausgedehnten Geschäftstätigkeiten (Zins- und Ratengeschäfte, langlaufende Kontrakte usw.) in Mitleidenschaft zieht.

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Aktualisierte Auszüge aus: “Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik” (KDP 2021)


Abrechnung mit der Pandemiepolitik

Massenmensch und Massenwahn gehören zusammen. Wie bei einer Massenpanik nicht unüblich, agieren die Regierenden nicht etwa als über den Di...